Schule im 3. Lockdown – Repräsentative Elternumfrage in Österreich

Autorinnen und Autoren Christoph Helm, Alexandra Postlbauer
Institution(en) Johannes Kepler Universität Linz, Linz School of Education, Abteilung für Bildungsforschung
Kontaktdaten

christoph.helm@jku.at

alexandra.postlbauer@jku.at

ggf. weitere Partner

Landeselternverband Niederösterreich

Theoretischer Rahmen/Zugang Ein erster systematischer Überblick über den Forschungsstand zum Lehren und Lernen während des coronabedingten Fernunterrichts (N = 97 Studien; Helm, Huber & Loisinger, 2020) macht einerseits deutlich, dass zentrale Aspekte des Lehrens und Lernens während der coronabedingten Schulschließungen (wie Merkmale des Fernunterrichts und Merkmale der häuslichen Ressourcen für das Lernen) in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits Gegenstand vieler Befragungen waren. Allerdings macht er auch deutlich, dass wir noch sehr wenig über die Situation bildungsbenachteiligter Schüler*innen (mit Migrationshintergrund, aus unterschiedlichen Ethnien, aus bildungsfernen Schichten) während Corona wissen, da diese mit Onlineumfragen besonders schwer zu erfassen sind. Darüber hinaus fehlen, mit Ausnahme von Schönherr & Zandonella (2021), wissenschaftliche Befunde zur Situation und zu den Effekten des dritten Schul-Lockdowns, die sonst so zahlreich vorliegen. Die theoretischen Wirkmechanismen, die zu Bildungsbenachteiligung durch Schulschließungen während der Corona-Pandemie führen sind vielfältig. Hauptargument das wiederkehrend angeführt wird (Dietrich et al., 2020; Grewenig et al., 2020; Huber & Helm, 2020; Frohn, 2020) ist, dass die Verantwortung für die Bildungsprozesse der Kinder und Jugendlichen auf die Eltern übertragen wird und wodurch häusliche und familiäre Ressourcen und Rahmenbedingungen für das selbständige Lernen im Fernunterricht stärker ins Gewicht fallen als im traditionellen Unterricht. Theoriemodelle der Hausaufgabenpraxis postulieren dahingehend, dass die Rolle der Eltern im Rahmen der Hausaufgabenbetreuung sowie die häusliche Situation/häusliche Ressourcen allgemein (z. B. sozioökonomischer Status der Lernenden, Ausstattung zuhause) starken Einfluss auf die Qualität und den Erfolg häuslicher Lernprozesse nimmt. Zwei in der Literatur prominente Modelle sind das Homework-Modell (Trautwein et al. 2006) und das Prozessmodell zur Wirkungsweise von Hausaufgaben (Kohler 2011). Diese Modelle der Hausaufgabenforschung scheinen aufgrund ihrer Angebots-Nutzungs-Logik alle wesentlichen Faktorenbündel für den Fernunterricht abzudecken. Was ihnen fehlt, ist der Blick auf die Rolle der Technik im Lehr-Lern-Prozess. Daher basiert diese Studie auf einem integrativen Modell, das das Modell der Hausaufgabenpraxis nach Trautwein et al. (2006) um das Prozessmodell der Hausaufgabenpraxis sowie Theorien der Distance Education und e-Education erweitert.
Fragestellung(en) der Befragung

(1) Inwiefern waren Schüler*innen aus sozioökonomisch schwachen Familien während der Schulschließungen besonders benachteiligt?

(2) Gibt es Hinweise für einen Schereneffekt? D.h., wuchs die Benachteiligung sozioökonomisch schlechter gestellter Schüler*innen aufgrund der Schulschließungen?

(3) Wie steht Österreich in diesen Fragen im Vergleich zu Deutschland dar?

Themen in Stichworten

3. Lockdown, Distance Learning, Repräsentativität, Replikationsstudie

Zentrale Befunde der Studie im Überblick/Highlights
  • Betreuungssituation. Rund ein Viertel der Eltern nutzt im 3. Lockdown eine Kinderbetreuung außerhalb des eigenen Haushalts. 3 von 10 Eltern berichten zudem, dass ihre Kinder während der Schulschließungen mehr als 3 Stunden täglich in der Schule sind.
  • Belastung/Überforderung. Rund die Hälfte der Eltern gibt an am Limit zu sein, kaum noch Zeit für sich selbst zu haben und die erneuten Schulschließungen als große psychische Belastung wahrzunehmen. Rund 4 von 10 Eltern streiten häufiger als sonst mit ihren Kindern. Ein Drittel der Kinder ist während der Schul-schließungen überfordert.
  • Lernzeit. Die Stunden, die Kinder täglich für den Schulbesuch und das Lernen für die Schule aufwenden, reduziert sich laut Elternangaben von rund 8 Stunden vor dem Lockdown auf rund 6 Stunden während des dritten Lockdowns. Dieser Rückgang von rund 2 Stunden ist deutlich geringer als jener in der Vergleichs-studie aus Deutschland zum ersten Lockdown (rund 4 Stunden Rückgang).
  • Lernerfolg. Rund 6 von 10 Eltern stimmen der Aussage zu, dass ihr Kind während der Schulschließungen im Jänner 2021 deutlich weniger dazugelernt hat als im normalen Unterricht vor der Pandemie.
  • Qualität des Fernunterrichts. Rund ein Viertel der Eltern schätzt die Qualität des Fernunterrichts während der Schulschließungen im Jänner hoch ein; fast jeder dritte Elternteil niedrig.
  • Digitale Tools. Rund zwei Drittel der Eltern berichten vom Einsatz digitaler Lernplattformen zur Übermittlung von Lernmaterialien. Damit haben Lernplattformen traditionellere Übermittlungswege wie das E-Mail, von denen nur 4 von 10 Eltern berichten, als das am häufigsten eingesetzte Tool abgelöst.
  • Technische Ausstattung zuhause. Für 4% der Eltern ist die Qualität des Lernumfeldes (technische Ausstattung) ungenügend. Allerdings berichten knapp 4 von 10 Eltern, dass im Zuge der Online-Lehre Probleme bei ihren Kindern aufgetreten sind.
  • Herausforderungen der Kinder. Für 8 von 10 Kindern ist der fehlende soziale Kontakt eine große Herausforderung im Lockdown. Für die Hälfte der Kinder ist das selbständige Lernen eine große Herausforderung.
  • Herausforderungen der Eltern. Für rund die Hälfte der Eltern ist die Lernbegleitung ihrer Kinder und die fehlende Zeit dafür eine große Herausforderung.

Die berichteten Anteile sind nahezu durchgängig stärker zum Nachteil von Eltern von leistungsschwächeren Kindern ausgeprägt. Eltern ohne und mit akademischem Bildungsabschluss unterscheiden sich dagegen oft nicht wesentlich.

Methodische Ausrichtung Quantitative Studie
Analytische Ausrichtung deskriptiv
Erhebungsdesign

Onlinefragebogen, teilweise Replikation der von Wößmann et al. (2020) am ifo München für Deutschland bereits durchgeführten repräsentativen Elternumfrage für Österreich, Rekrutierung der Eltern über das Marktforschungsinstitut respondi und zusätzlich Verteilung über den Dachverband der Elternvereine in Österreich

Zeitpunkt(e)/Zeitraum der Erhebung(en) Februar 2021
Art der Stichprobe und Benennung der Personengruppe(n) und Anzahl

3590 Eltern aus allen Bundesländern Österreichs

„Convenience Sample“ von Eltern von Schüler*innen an  allgemeinbildenden Schulen – allgemeinbildende Pflichtschulen (Volksschule, Mittelschule), Unterstufe und Oberstufe der all-gemeinbildenden höheren Schulen (z.B. Real-, Gymnasium), berufsbildende mittlere und höhere Schulen (z.B. HAS, HAK, FW, HLW, HTL) und Berufsschulen

Geographischer Raum der Studie Österreich
Bibliographische Angaben zentraler Publikation(en)

Helm, C. & Postlbauer, A. (2021). JKU-Bildungsbarometer #1. Schule im 3. Lockdown. 1. Bericht zur repräsentativen Elternumfrage in Österreich. Linz: Johannes Kepler Universität, School of Education. DOI: 10.35011/jbb.2021-1.

Projektwebsite

https://www.jku.at/linz-school-of-education/ueber-uns/organisation/abteilung-fuer-bildungsforschung/

Sonstige Hinweise/ggf. Besonderheiten
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